
„An einem so ruhigen und schönen Ort wie dem Schloss zu sein und anderen bei ihrer Musik zu lauschen, über die eigene zu sprechen und sich auszutauschen und so wohlwollendes Feedback zu bekommen ist wirklich eine besondere Erfahrung“, sagt Ratte Rosa. (Foto: Line Tsoj)
Ratte Rosa aus Trier begeistert im local heroes-Bundesfinale mit ihrer einzigartigen Solo-Performance. Am 15. November wird verkündet, wer „Bester Newcomer-Act Deutschlands 2025“ ist.
Wenn Greta Klos alias Ratte Rosa die Bühne betritt, passiert etwas Seltenes. „Heute war zum ersten Mal absolute Stille im Raum. Alle haben zugehört“, beschreibt Sängerin und Vocalcoach Marie Antoinette Lührs den Live-Auftritt beim local heroes Bundesfinale auf Schloss Hundisburg. Es sind diese Momente, in denen Ratte Rosa ihre Zuhörer:innen mitnimmt – in eine Welt voller Kontraste, aus Schmerz und Zärtlichkeit, Wut und Hoffnung. Die große Preisverleihung steht noch bevor: Am 15. November wird im Magdeburger Moritzhof entschieden, welche der insgesamt 13 teilnehmenden Acts ausgezeichnet werden. Doch nicht nur für die Jurorin ist schon jetzt klar: Ratte Rosa hat Spuren hinterlassen – bei der gesamten Jury, bei den Coaches und bei den anderen Musiker:innen.

Ratte Rosa berührt auf vielen Ebenen: „Als ich die ersten Gigs gespielt habe, habe ich gemerkt, wie verbindend es ist, sich nahbar und verletzlich zu machen mit seiner Musik, den Zuhörenden intime Einblicke in die eigene Gefühlswelt zu geben.“ (Foto: Cora Schrage)
Von den ersten Klavierstunden zum eigenen Projekt
Greta begann ihre musikalische Reise am Klavier. Erste Songs schrieb sie damals noch auf Englisch, bis sie im Design-Studium in Trier ihre eigene Sprache fand. „Ich fand dort einen geschützten Raum, um mich auszuprobieren und meine kreative Sprache zu entwickeln“, erzählt sie. In dieser Zeit entdeckte sie auch das Producing für sich und drehte ihre ersten eigenen Musikvideos. Schritt für Schritt kristallisierte sich heraus, dass sie ihre Musik mit Bildern, Ästhetik und klarer Botschaft verbinden wollte – ein Zusammenspiel, das sie bis heute fasziniert. Ein prägender Meilenstein war die Teilnahme an der Pop RLP Masterclass 2024/25: „Dort konnte ich Producing-Sessions, Workshops und Coachings zum Beispiel zum Thema Artist Identity machen.“ Diese Erfahrungen halfen ihr, ihre eigene Vision zu schärfen – und brachten sie letztlich auch zu local heroes.

„Ich glaube mein Stil dreht sich sowohl klanglich, textlich und ästhetisch viel um das Thema Kontraste“, so Ratte Rosa. (Foto: Line Tsoj)
Mut zur Verletzlichkeit
Für Greta bedeutet Musik immer auch, sich verletzlich zu zeigen. „Verletzlichkeit schafft Verbundenheit, das war mein schönstes Learning“, sagt sie. Ihre Texte greifen Themen auf, die aus ihrer eigenen Realität stammen: patriarchale Strukturen (wenn auch nicht immer offensichtlich), Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung. „Mein inhaltlicher Schwerpunkt sind kontrastierende Gefühlswelten, Wut und Hilflosigkeit, das Aufwachsen als Frau im Patriarchat und Weisen mit diesem System umzugehen.“ Sie betont nachdrücklich: „Ich muss keine Statistiken oder feministische Lektüre lesen, um solche Texte zu schreiben – ich muss nur auf mein Leben zurückblicken.“ Denn für sie und viele ihrer Freundinnen seien diese Gegebenheiten gelebte Realität. Auch ihr Künstlerinnenname trägt diese Dualität: Ratte steht für das Verruchte, Abgestoßene (ihrer Meinung nach zu Unrecht!), während Rosa für Zärtlichkeit und Verletzlichkeit steht. „Mir ist es wichtig, beides zu sein und sein zu dürfen. Wütend zu sein über Systeme und Ungerechtigkeiten und mir trotzdem zu erlauben, mich traurig und hilflos zu fühlen und das nach außen zu tragen.“

„Ich schreibe Balladen die düster sind, traurig, aber auch unschöne Wörter und unverblümte Texte beinhalten“, erklärt Ratte Rosa im Interview. (Foto: Martin Schöffel)
Die Herausforderung: Angst überwinden
Doch so klar ihre Botschaften sind, so sehr kämpft Greta auch mit inneren Hürden. „Meine größte Herausforderung ist und war es immer wieder, meine Angst zu überwinden. Die Angst davor, sich zu zeigen und angreifbar zu machen, aber auch die Angst, gar nicht richtig hineinzupassen.“ Sie spricht offen über das Imposter-Syndrom, ein großer Faktor, der Frauen im Patriarchat sicherlich auch anerzogen werde: „Das ständige Gefühl außerordentlich gut sein zu müssen in dem, was man tut, herausstechen und sich beweisen zu müssen. Ich glaube diese Gefühle bleiben auch, egal wie weit man mit seiner Reise ist und wie erfolgreich man ist, egal wie man Erfolg definiert. Es lohnt sich immer es trotzdem zu machen und die Angst mit auf den Weg, quasi an die Hand zu nehmen.“

In ihrer Live-Session schuf Ratte Rosa besondere, intime Momente. (Foto: Cora Schrage)
Bundesfinale: Familie auf Zeit
Die Tage auf Schloss Hundisburg beschreibt Greta als intensiv und zugleich wohltuend. „Das Bundesfinale war eine ganz besondere Zeit. Abgeschottet vom Rest der Welt hat sich ein paar Tage alles nur um Musik gedreht.“ Anfangs hatte sie Respekt, allein anzureisen und sich in eine neue Gruppe zu begeben. Doch die Begegnungen entpuppten sich als wertvoll: „Ich bin in super viele spannende Gespräche mit anderen Acts gekommen – ob draußen in der Sonne oder drinnen am Frühstückstisch.“ Ihre Vorbereitung auf das Musikcamp war auch ein innerer Prozess: „Ich habe im letzten Jahr viel über meine Künstlerinnenidentität und meine Musik nachgedacht, über das wofür ich als Künstlerin stehen will und für was nicht.“ Auch aus früheren Erfahrungen, etwa bei der Pop RLP Masterclass, wusste sie: Coachings, Live-Sessions und Interviews können wertvolle Impulse geben. „Ich habe mich in solchen Situationen inzwischen sehr wohl gefühlt“, erzählt sie. Die Zusammenarbeit mit local heroes erlebte sie als besonders fürsorglich: „Beim Bundesfinale selbst waren unfassbar viele engagierte, freiwillige Helfer:innen beteiligt, das macht irgendwie Mut für die Zukunft der Branche.“ Für die Tage auf Schloss Hundisburg habe sie wie in einer kleinen Familie erlebt – „auf eine beruhigende Art und Weise“.

Ratte Rosas Musik hat viele verschiedene Facetten: Ihre Texte sind auch wütend und „hoffentlich für manche Menschen in ähnlichen Situationen ermutigend“, wie sie sagt. (Foto: Cora Schrage)
Feedback, das Mut macht
Ihre Musik und ihre Persönlichkeit beeindruckte auch die Jury, bestehend aus Musikjournalist Martin Hommel, Sängerin und Vocalcoach Marie Antoinette Lührs sowie Konzert-Designerin und Regisseurin Rixa Knaack-Meyer zur Capellen. „Greta ist für uns eine starke Kraft mit enormem Potenzial“, so Marie Antoinette Lührs kurz nach ihrem Live-Auftritt in der Schlossscheune. „Sie bringt wundervolles Songwriting mit, eine klare Vision, und vereint dabei Zerbrechlichkeit mit Ehrlichkeit und Härte in ihren Texten. Das Publikum reagiert mit Tränen – das geht uns auch nahe.“ Gleichzeitig ermutigte sie Greta, ihre Klavierparts noch stärker auszureizen und sich ein stabiles Netzwerk zum Jammen aufzubauen. Der langjährige local heroes-Coach David Pfeffer brachte es etwas kürzer auf den Punkt: „Ratte Rosa ist mein Ding. Das hat unglaublich viel Potenzial. Das kann funktionieren!“

Die local heroes Coaches David Pfeffer und Felix Mannherz nahmen sich viel Zeit, um mit Ratte Rosa über ihre Fragen als Künstlerin zu sprechen. (Foto: Cora Schrage)
Zukunftspläne: EP über Liebe im Patriarchat
Greta arbeitet aktuell an einer EP über Liebe im Patriarchat und die erlernte Sicht auf Romantik und Zärtlichkeit. Denn Liebe ist ihrer Meinung nach auch politisch: „Unsere scheinbar so privaten, intimsten Beziehungen sind immer auch geprägt von Gesellschaftsstrukturen. Wenn ich also einen klassischen Song über Herzschmerz schreibe, fließt immer auch ein bisschen Wut über erlernte Denkmuster und Verhaltensweisen mit ein.“
Sie hofft, dass local heroes ihr hilft, den inneren Imposter noch weiter abzuschalten und zu ihrer Message zu stehen: „Ich habe ganz unterschiedliches Feedback zu verschiedenen Aspekten meiner Musik bekommen, von der Jury, von den Coaches und von den anderen Acts. Unterschiedliche Aspekte berühren unterschiedliche Menschen. Ich hoffe, dass die Teilnahme mir weiterhilft, mich zu trauen, auch mal die wunden Punkte zu treffen.“ Die Kontakte, die sie in diesen Tagen knüpfen konnte, betrachtet sie als besonders wertvoll: „Als DIY-Solo-Act ist es manchmal anstrengend, sich in alle möglichen Themen reinzufuchsen und den Überblick nicht zu verlieren. Der Austausch mit den anderen Acts war sehr bereichernd. Ich habe jetzt Ansprechpersonen in allen möglichen Bundesländern und bin sehr froh darüber.“

Die local heroes-Jury war von Ratte Rosa beeindruckt. Im Feedback-Gespräch ging es konstruktiv und ausgelassen zu. (Foto: Cora Schrage)
Und was braucht ein Musikprojekt, um langfristig zu bestehen? „Ich glaube, Musik muss heutzutage entweder eine Flucht aus der Realität bieten oder helfen, diese zu verarbeiten. Gerade meine Generation ist sehr gezeichnet von den Dingen, die aktuell auf der Welt passieren. Ich selbst bin sehr dankbar für verletzliche Musik, die mir Zugang zu meinen eigenen Emotionen gibt, aber auch für Musik, die mir eine Flucht bietet. Ich glaube, einer dieser beiden Aspekte muss gegeben sein.“
Ratte Rosa gibt Menschen eine Stimme
Ratte Rosa ist ein Act, der polarisiert und berührt. Ihre Songs sind nicht glatt oder gefällig, sondern mutig, ehrlich und verletzlich. Sie spricht Themen an, die oft verdrängt werden – und gibt damit nicht nur sich selbst, sondern vielen anderen eine Stimme. Sie lebt ihren Traum: „Ich glaube der schönste Moment auf meiner bisherigen Reise war der Moment, in dem ich verstanden habe, dass man das alles wirklich machen und versuchen kann und es nicht für immer ein ‚naiver‘ Kindheitstraum bleiben muss.“
Am 15. November 2025 entscheidet sich im Magdeburger Moritzhof, welche Preisträger:innen aus dem local heroes Bundesfinale hervorgehen. Doch für viele steht schon jetzt fest: Mit ihrer Mischung aus Zerbrechlichkeit, Wut und Hoffnung hat Ratte Rosa längst gewonnen.
Du möchtest mit Deiner Band oder als Solo-Act bei local heroes dabei sein? HIER findest Du die Ansprechpartner:innen in Deinem Bundesland.
Text: Nicole Oppelt
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Die Bundesfinalist:innen 2025 im Überblick:
Die Teilnehmer:innen des Bundesfinales 2025 haben sich in verschiedenen Landesausscheiden bzw. über Nominierungen qualifiziert und traten als Newcomer-Act für ihr Bundesland an:
Joshua Caleb für Baden-Württemberg
Nachtkinder für Bayern
Waveywave für Berlin
Viasko für Brandenburg
Rapid Strides für Bremen
Morgen in Farbe für Sachsen
Tomken für Mecklenburg-Vorpommern
Chicago Lane für Niedersachsen
Nuk für Nordrhein-Westfalen
Ratte Rosa für Rheinland-Pfalz
Leander für Sachsen-Anhalt
Colour Gray für Schleswig-Holstein
Caems für Thüringen
Die Jury setzt sich in diesem Jahr wie folgt zusammen:
Martin Hommel (Musikjournalist)
Marie Antoinette Lührs (Sängerin & Vocalcoach)
Rixa Knaack-Meyer zur Capellen (Konzert-Designerin & Regisseurin)
Die Coachings wurden durchgeführt von:
David Pfeffer (Sänger, Songwriter, Produzent)
Felix Mannherz (Schlagzeuger, Gitarrist, Sänger)












