„Wir fühlen uns gut. Wir fühlen uns toll. Wir fühlen uns nice“ So fasst Sänger Noah die Emotionen der Band an diesem Abend zusammen. (Foto: Thomas Sasse)

Die Nachtkinder aus Nürnberg verzaubern mit magischer Dunkelheit und glühenden Worten. Ihre Kunst bescherte ihnen am Wochenende den Preis für das beste Songwriting.

Es gibt Abende, die sich nicht wie Ereignisse anfühlen, sondern wie Atmosphären. Abende, an denen die Luft dichter ist, die Menschen mit mehr Bedacht sprechen als sonst, und an denen selbst die Schatten so wirken, als wollten sie zuhören. Die local heroes-Preisverleihung 2025, die am 15. November im Magdeburger Moritzhof stattfand, war so einer. Ein Ort zwischen Industrieästhetik und Kunsttempel, zwischen verwinkelten Ecken und einem Saal, der Geschichten aufnehmen kann wie ein gut eingespieltes Mikrofon. Doch irgendwann kam dieser Moment, an den sich die bayerische Delegation noch lange erinnern wird: Die Nachtkinder, Landessieger von local heroes Bayern 2025, wurden als Gewinner der Kategorie „Bestes Songwriting“ ausgezeichnet. Und plötzlich spürte man im Moritzhof etwas, das das local heroes-Netzwerk seit nunmehr 34 Jahren auszeichnet: ehrliche kollektive Begeisterung, die nicht aus Routine entsteht, sondern aus echtem Erkennen und wahrhaftiger Wertschätzung.

„Von local heroes haben wir richtig viel mitnehmen können“, sagen die Nachtkinder. Ganz gleich, ob Website-Gestaltung, Bandfotos oder Release-Strategie – die Band ist dankbar über so viel wertvollen Input, der weit über die Zeit des Musikpreises hinausgeht. (Foto: Thomas Sasse)

Wenn ein Konzept zu einer Welt wird…

Local heroes-Jurorin und Nachtkinder-Laudatorin, Konzert-Designerin und Regisseurin Rixa Knaack-Meyer zur Capellen, weiß, dass Kunst kein Zufall ist. Ihre Worte über die Nachtkinder waren daher keine klassische Laudatio. Sie wirkten wie die Kurzanalyse eines Bühnenuniversums, das nicht von dieser Welt und zugleich völlig präsent ist: „Es gibt Songs, die klingen gut – und es gibt Songs, die berühren, inspirieren und uns etwas erzählen“, beginnt sie ihre Würdigung der Nachtkinder. Sie spricht von Songs, „die sich entfalten wie eine Szene auf der Bühne, bis ich plötzlich merke: Ich schaue nicht nur zu, ich stehe mitten in einem Moment, der mich nicht mehr loslässt.“ Man spürte, dass sie damit nicht einfach eine Feststellung in den Raum warf. Sie traf das Herzstück der Band. Denn die Nachtkinder erschaffen nicht nur Songs, sie kreieren Atmosphären. Sie denken Musik nicht als Track, sondern als Erlebnisraum. „Die Dramaturgie, die Vermittlung einer klaren Botschaft, das feine Abstimmen der einzelnen Elemente, das Ausdrücken von Emotionen – nicht zuletzt eine ganz eigene Handschrift“, fasst Rixa Knaack-Meyer zur Capellen das zusammen, was die Mittelfranken so einzigartig macht. Wenn die Nachtkinder auftreten, das haben sie während ihrer gemeinsamen Reise mit local heroes nun mehrfach bewiesen, entsteht eine Mischung aus Ritual, Performance und musikalischer Zeremonie. Ihre Bühnensprache ist durchkomponiert, jeder Blick hat Bedeutung, jede Bewegung scheint das innere Narrativ zu verschieben. Und doch wirken sie nie konstruiert – eher so, als würden sie dem folgen, was ohnehin geschehen muss.

„Die Musik öffnet den Raum, in dem der Text und die Emotionen frei fließen können und der Text ins Herz trifft“, würdigt Jurorin und Laudatorin Rixa Knaack-Meyer zur Capellen die Kunst der Nachtkinder. (Foto: Thomas Sasse)

„Mein Testament“ – ein Song wie eine Schwelle

Mit ihrem Song „Mein Testament“, den sie während des Musikcamps auf Schloss Hundisburg aufgenommen hatten, gelang es den Nachtkindern etwas zu schaffen, das zwischen Weltuntergang und Befreiung tanzt. Dieser, so Rixa Knaack-Meyer zur Capellen, „hat eine Dramaturgie, die uns mitnimmt, uns durch die Erzählung führt, aber trotzdem Raum für Überraschungen lässt.“ Er entfache eine Sehnsucht, eine Melancholie, die sich mit kraftvoller Energie verbinde. „Die Musik“, davon ist nicht nur sie überzeugt, „schafft den Raum, in dem der Text direkt ins Herz trifft – eine intensive Balance zwischen Poesie und Rock, zwischen Wehmut und Stärke“. Besonders hob die Expertin das Arrangement hervor: „Es gelingt, die Message in den Mittelpunkt zu stellen, ohne dass sie überladen wirkt. Oft ist es eine Kunst, das eigene Instrument auch mal zurückzustellen und den Song nicht mit zu vielen Elementen zu überfachten. Diese Kunst beherrscht dieser Act.“

„Das Video von unserer Studio-Session ist superprofessionell und hat sehr großen Anklang gefunden“, freut sich nicht nur Schlagzeuger Mais.

„Mein Testament“, da waren sich an diesem Abend sicherlich alle einig, klingt wie das Öffnen einer Tür, durch die Dunkelheit hereinkommt – und natürlich auch jede Menge Licht. Mit ihm zeigten sie, warum ihre Kunst nicht einfach hörbar ist, sondern sehbar. Ihre Musik baut sich langsam auf, wie Nebel, der erst verwischt und dann die Konturen freilegt. Die Melodien sind filigran, die Worte scharf wie Glas. Und dort, im stillen Nachhall der letzten Zeile, spürt man: Diese Band hat etwas, das bleibt.

Dankbarkeit, Demut – und eine klare Vision

Warum machen wir das? Für wen und wofür? Der Abend in Magdeburg hat den Nachtkindern hoffentlich einige neue Antworten auf diese existenziellen Fragen aller Künstlerinnen und Künstler geliefert. Man merkte ihnen an, dass der Preis nicht nur Anerkennung, sondern Bestätigung eines Weges ist, der nicht auf Kompromisse ausgelegt ist. Dieser Moment auf der Bühne – das Mikro, das warme Licht, der Applaus – traf die Band sichtlich. Es war nicht selbstverständlich. Es war verdient. Sänger Noah, der innerhalb der Band für das Songwriting zuständig ist, zeigte sich sichtlich gerührt: „Dieser Preis ist wahrscheinlich das größte Kompliment, das man bekommen kann. Das berührt mich sehr.“ Sie alle seien, das ergänzt er später, „extrem happy“, diesen Preis gewonnen zu haben. „Das bedeutet uns wirklich viel.“

Die Nachtkinder und das Team von local heroes Bayern sind eng verbunden. „Ihr wart so sehr für uns da, wenn wir das in irgendeiner Form zurückgeben können, dann machen wir das“, stellt Noah stellvertretend für die gesamte Band heraus. (Foto: Thomas Sasse)

Was die Auszeichnung konkret bedeutet

Fest steht: Der Preis für das Beste Songwriting ist mehr als eine Trophäe. Er ist ein Wegweiser, ein Anschub, ein offizielles „Weiter so, aber bitte unbeirrt!“ Das, so Schlagzeuger Mais, sei auch die Kernbotschaft aus den vielen Rückmeldungen gewesen, die sie in den vergangenen Wochen erhalten hätten. „Das hat uns sehr gefreut und uns natürlich bestärkt, vor allem mit Blick auf unsere Album-Produktion, die jetzt ansteht.“ Die Nachtkinder erhalten einen 500-Euro-Thomann-Gutschein, ein Studio-Recording eines Songs bei Aktion Musik / local heroes e.V. sowie ein Live-Konzert im Club Hanseat (Reihe „Offene Bühne“). Diese drei Elemente – Equipment, Studio, Bühne – sind genau das Dreieck, in dem sich eine Band wie die Nachtkinder entwickeln kann. Und zwar nicht, indem sie sich verbiegen, sondern indem sie ihren Weg weiter radikal definieren.

So viele wunderbaren Talente, da kann die Jury nur strahlen. Einen leichten Job hatten Rixa Knaack-Meyer zur Capellen, Marie Antoinette Lührs und Martin Hommel nicht. (Foto: Thomas Sasse)

Ein Abend voller Entdeckungen und ein strahlender Hauptpreis

Natürlich gab es auch andere Gewinnerinnen und Gewinner an diesem Abend. Sie alle zeigten eindrucksvoll, wie divers die deutsche Newcomer-Landschaft 2025 ist:Bester Newcomeract-Act: Tomken (Mecklenburg-Vorpommern)Beste Live-Performance: Nuk (Nordrhein-Westfalen)Beste Instrumental-Performance: Adam Winiarski / Schlagzeuger von Rapid Strides (Bremen)Beste Vocal-Performance: Emily Kretschmann / Sängerin von Caems (Thüringen)Beste Lyrics: Ratte Rosa (Rheinland-Pfalz)Publikumspreis: Chicago Lane (Niedersachsen)

Local heroes-Netzwerkkoordinatorin Cosima Sokol (Mitte) mit dem Team von local heroes Bayern. In ihr haben die ehrenamtlichen Landesveranstalter ihre wertvollste Unterstützerin und Ansprechpartnerin gefunden. „Für Cosima ist local heroes weit mehr als nur ein Job. Sie füllt ihre Aufgabe mit unbändiger Leidenschaft und Engagement, das weit über das übliche Maß hinausgeht“, schwärmt das Team von der jahrelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit. „Nur so können wir Bayerns Nachwuchsszene derart sichtbar machen.“ (Foto: Thomas Sasse)

Warum der Abend im Moritzhof bleiben wird…

…weil er nicht glatt war. Nicht technisch brillant, nicht steril, sondern menschlich, warm, ungeplant an genau den richtigen Stellen. Vielleicht war es dieser kurze Moment, als die Laudatorin ihre Worte über die Nachtkinder sprach. Vielleicht war es der Applaus, der eher wie ein großes kollektives Ausatmen klang. Die Nachtkinder haben an diesem Abend nicht nur einen Preis gewonnen. Sie haben etwas ausgelöst: Das Gefühl, dass Kunst, die sich traut, anders zu sein, immer eine Chance hat und manchmal sogar eine Bühne, die genau dafür gebaut wurde. Oder wie es Nachtkinder-Keyboarderin Celina beschreibt: „Es war schön zu sehen, dass niemand darauf aus war zu gewinnen, sondern, dass alle begeistert waren, wie viel musikalisches und kreatives Talent hier zu sehen war.“ Genau das sei gefeiert worden…

Text: Nicole Oppelt

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Die Bundesfinalist:innen 2025 im Überblick:
Die Teilnehmer:innen des Bundesfinales 2025 haben sich in verschiedenen Landesausscheiden bzw. über Nominierungen qualifiziert und traten als Newcomer-Act für ihr Bundesland an:

Joshua Caleb für Baden-Württemberg
Nachtkinder für Bayern
Waveywave für Berlin
Viasko für Brandenburg
Rapid Strides für Bremen
Morgen in Farbe für Sachsen
Tomken für Mecklenburg-Vorpommern
Chicago Lane für Niedersachsen
Nuk für Nordrhein-Westfalen
Ratte Rosa für Rheinland-Pfalz
Leander für Sachsen-Anhalt
Colour Gray für Schleswig-Holstein
Caems für Thüringen

Die Jury setzt sich in diesem Jahr wie folgt zusammen:
Martin Hommel (Musikjournalist)
Marie Antoinette Lührs (Sängerin & Vocalcoach)
Rixa Knaack-Meyer zur Capellen (Konzert-Designerin & Regisseurin)

Die Coachings wurden durchgeführt von:
David Pfeffer (Sänger, Songwriter, Produzent)
Felix Mannherz (Schlagzeuger, Gitarrist, Sänger)