Ob mit großen Reisebussen oder per Autokolonne: Am Samstagabend strömte die Republik gen Salzwedel. Vor dem Kulturhaus der Hansestadt waren Kennzeichen aus dem tiefsten Süden und dem höchsten Norden anzutreffen. Etwa 1000 Zuschauer waren gekommen, um das 23. „local heroes Bundesfinale“ gebührend zu feiern. Der organisierende Verein Aktion Musik/local heroes e.V. hatte geladen, um erneut die Essenz des musikalischen Nachwuchses in Augenschein zu nehmen. Ein letztes Mal traten nun die 13 Bundesfinalisten gegeneinander an. Das Ergebnis konnte sich sehen und vor allem hören lassen.


„Musik ist ein Vehikel für Traurigkeit - aber auch für Freude. Und wenn es gelingt, beide Extreme zusammenzubringen, entsteht Magie“, hat Ex-Beatle Paul McCartney einmal gesagt. Bei dem 23. „local heroes Bundesfinale“ in Salzwedel war die Musiklegende aus Großbritannien zwar nicht zugegen. Getroffen hat er das, was in der vergangenen Samstagnacht im Kulturhaus in Salzwedel vor sich ging, jedoch wie kein anderer. Aus allen Teilen Deutschlands waren die insgesamt 13 Landesfinal-Sieger angereist, um vor rund 1000 Zuschauern ihr Können noch einmal unter Beweis zu stellen. Ein gutes Stück des Weges hatten sie am 9. November bereits hinter sich. Über teils mehrstufige Wettbewerbe mit insgesamt gut 1500 jungen Bands haben sie sich auf 150 Bühnen vor fast 100.000 Zuschauern bis ganz nach vorne gespielt. Sieger waren sie für „local heroes“-Projektleiter Dieter Herker und sein Team damit schon jetzt. Doch die Krönung nach einem Jahr voller musikalischer Highlights sollte noch kommen.


Preise im Gesamtwert von mehr als 15.000 Euro

Als es gegen zwei Uhr morgens endlich zur lang ersehnten Siegerehrung ging, waren den Teilnehmern nicht nur die Anstrengungen des Abends, sondern vor allem die Aufregung ins Gesicht geschrieben. In dieser Nacht waren ihre musikalischen Kräfte, die bisher über ganz Deutschland verstreut waren, endlich eins geworden. Und diesen Gedanken, den erlebte das Publikum und Jury während jedes einzelnen Auftrittes hautnah.

Jetzt galt es also: Wer stach für das Publikum, wer für die Jury besonders heraus? Und: Welcher Einzelkünstler konnte am meisten begeistern? Moderator Howie Yagaloo vom gleichnamigen Musikmagazin verstand es, das Knistern der Nacht noch ein wenig hinaus zu zögern. Immerhin ging es um nicht weniger als Preise im Gesamtwert von mehr als 15.000 Euro.

Und dann ging es los:  Know No Bounds aus Berlin konnten den zweiten Publikumspreis abstauben. Die Deutsche Rockmusikstiftung überlässt ihnen für ein Wochenende einen Tourbus. Darüber hinaus erhalten sie von Clubplaner ein digitales professionelles Bookingbüro. Enemy Jack aus Niedersachen lagen ganz oben in der Gunst des Publikums. Sie können sich über ein komplettes Bandsetup von der Firma Roland freuen. Lia aus Hamburg fiel im Verlauf der vergangenen sieben Stunden durch ihre außergewöhnliche Stimme auf und wurde nun als beste Sängerin ausgezeichnet. Sie darf ein Funkmikrofon von Sennheiser mit nach Hause nehmen. Beeindruckt zeigte sich die Expertenrunde auch von Tino Wilczewski, Schlagzeuger bei Flash Forward aus Nordrhein-Westfalen. Ihm gebührt der Titel „bester Instrumentalist“. Verbunden ist der Preis mit einem Gutschein aus dem Musikhaus Thomann über 500 Euro. Den zweiten Jurypreis durften an diesem Abend Faakmarwin aus Bremen mit nach Hause nehmen. Belohnt wird ihre Leistung unter anderem Mit einem SET-Stipendium im Wert von 3500 Euro.

Den ersten Jurypreis und damit „Local Heroes 2013“ sind Schmutzki aus Baden-Württemberg. Sie stauben nicht nur eine Songproduktion gefördert vom Kultusministerium Sachsen-Anhalt sowie der Hansestadt Salzwedel ab, sondern auch einen 500 Euro-Gutschein aus dem Hause Thomann sowie einen „First-Class-Deal“ der Firma Recordjet. „Mit diesem Sieg haben wir wirklich nicht gerechnet“, sagt der 27-jährige „Schmutzki“-Sänger Beat Schmutz kurz nach der Preisverleihung.

„Wir hatten auch nicht die Intention. Für uns zählt der olympische Geist: Dabei sein ist alles.“ Für die Truppe war es der erste Besuch in Salzwedel überhaupt. Genossen haben die Musiker ihn in vollen Zügen.

Doch schon bald steht wieder „Arbeit“ ins Haus: Im kommenden Frühjahr soll bereits eine EP erscheinen.

Spielen unter Druck: In 20 Minuten muss alles sitzen!

Geschenkt wurde dem musikalischen Nachwuchs übrigens nichts. Ganz im Gegenteil ging es, wie bei „local heroes“ üblich, unter verschärften Bedingungen ans Werk. Absolute Präsenz von der ersten Sekunde war gefragt. Denn: In nur 20 Minuten musste es ihnen gelingen, den sprichwörtlichen Funken auf das Publikum überspringen zu lassen. Ein langsames Hineinfinden in den Gig, lange Erklärungen zwischen einzelnen Songs, Ausfälle, die das Stammpublikum gerne verzeiht? Fehlanzeige! Unterstützt werden sie zwar von einer aufwendig und vor allem professionell eingerichteten Bühnenmaschinerie inklusive Videowänden und einer riesigen Licht- und Tonanlage, den Hauptanteil der Arbeit mussten die Nachwuchskünstler jedoch selbst leisten.

Dass es hier auf alles ankommt, dessen waren sich die Teilnehmer im Vorfeld übrigens sehr wohl bewusst. Ihnen ging es nicht einzig darum, möglichst viele Anhänger zu mobilisieren, um eine riesige Party steigen zu lassen. Auch wenn es natürlich auch in diese Richtung zahlreiche Anstrengungen gab. Die Mehrheit der jungen Talente wollte vor allem handwerklich überzeugen. Intensiv hatten sich viele von ihnen in den Wochen zuvor noch einmal in den Probenraum zurückgezogen. Welches Set sollte es sein? Welche Show kann in 20 Minuten alle von den Socken hauen? Muss an dem ein oder anderen Titel noch einmal geschraubt werden? Nicht wenige zogen Freunde, Familie und Fans zu Rate oder spielten zusätzliche Konzerte, um für den großen Abend ordentlich gewappnet zu sein. Diese gewissenhafte Vorbereitung hat sich gelohnt.

„Die musikalische Qualität ist relativ hoch“, lobt der Singer und Songwriter David Pfeffer am Ende des Abends. „Man sieht einen Querschnitt von dem, was an Bands aktuell nach kommt. Da waren extrem gute Sachen dabei“, so der „X-Factor“-Gewinner von 2011. Wenn das der Spiegel von dem sei, was da draußen musikalisch passiere, dann gehe es Deutschland doch ganz gut. Einige seien ihm als besonders charakterstark herausgestochen und hätten einen schönen Gesamteindruck hinterlassen. „Ich habe hohe Erwartungen gehabt“, so David ganz unumwunden. „Aber die haben sich erfüllt.“ Das „local heroes“-Finale war für ihn eine echte Herausforderung. 13 Bands an einem Abend, dazu nur wenig Zeit, sich richtig hinein zu hören und die Bands richtig kennen zu lernen. Das habe er  allerdings als etwas schade empfunden. David Pfeffer kannte „local heroes“, war aber in der Vergangenheit kein Freund von Bandwettbewerben.

„Es ist nichts falsch daran, sich jede Möglichkeit, die man geboten bekommt, sich als Band auch zu packen. Wenn man Bock hat, einen Bandwettbewerb mit zu machen, dann sollte man das auch“, so David heute. Man solle Musik allerdings nie als „Competition“ sehen.

Letztlich sei es egal, wer gewinnt. Es gehe darum, dass man als Band oder als Künstler generell Präsentationsmöglichkeiten habe. Er selbst habe mit 14 die erste Band gegründet und versucht, sich nach oben zu spielen. Aus eigener Erfahrung weiß er, wie schwer es ist, sich über eine regionale Ebene hinaus zu spielen. Das liege mitunter an der Club-Kultur hierzulande. Auf Wettbewerben könnten die jungen Leute Erfahrungen sammeln und sich einem breiteren Publikum präsentieren. Doch egal, was man tue, am Ende sollte man dahinter stehen können.

„Es ist schon bei vielen Bands viel Schönes dabei!“

„Die Bands sind stilistisch sehr unterschiedlich. Aber bewegen sich alle auf einem Level, so dass man auch einmal Mindeststandards vergleichen und so mit den Bands darüber ins Gespräch kommen kann, wie sie das, was sie jetzt schon liefern, buchstäblich auf die Spitze treiben können “, resümiert Bandtrainer Wolfgang Schwericke, der während des gesamten Bundesfinales mit seinem Bandcoaching-Kollegen Eugen de Ryck zugegen war und den jungen Leuten unmittelbar nach ihrem Auftritt ein erstes konstruktives Feedback geben konnte. Die Details seien dann natürlich sehr individuell. Genre übergreifend seien es allerdings immer wieder die gleichen Aspekte, die angesprochen würden. Hier gehe es um Standards, wie etwa das Tempo oder den Sound. Es gehe um Dinge, die noch fehlen, um dem Mindeststandard in ihrer Stilrichtung zu entsprechen.

„Die Songs sind durch die Bank toll. Wenn man sie jetzt auch noch mit aller Inbrunst spielen würde. Es ist schon bei vielen Bands viel Schönes dabei!“

Aber: Es nütze nichts, wenn hier und da etwas Schönes sei. Gerade hier müssten sie es schaffen, in 20 Minuten die Dynamik, den Druck und die Atmosphäre auch zu halten. Seine Botschaft lautet daher auch: „Mehr Selbstreflexion!“

Fachjury musste ganz genau hinsehen und noch besser zuhören

Eines stand am Ende des Abends fest: Einen leichten Stand hatten die Fachleute auch während der 23. Ausgabe des „local heroes Bundesfinales“ nicht. Nicht nur David Pfeffer und Veranstalter Alex Ninow mussten ganz genau hinhören und natürlich auch hinsehen, um sich ein angemessenes Urteil in einer solch kurzen Zeit bilden zu können. Dieser Herausforderung stellten sich mit ihnen Kristina Rosenbusch von Sparta Booking sowie Jorin Zschiesche, Gründer von recordJet. In ihrem anspruchsvollen Vorhaben unterstützt wurden sie von Horst Haubrich, Akademieleiter von SET School of entertainment and technology, Clubplaner Jurij Klauss, Karim Allalou, Marketing Manager, ROLAND Germany GmbH und Festivalbooker Jonas Seetge. Beides galt es im Blick zu haben, die Atmosphäre im Saal als auch das Treiben auf der Bühne, das abwechselnd mit deutschem Indie-Rock, dann wieder völlig konträr mit Hip Hop oder Britpop aufwartete, um schließlich einen weiten und nicht minder spannenden Bogen von Punkrock bis hin zu Blues, Funk, Rap zu schlagen.

David Pfeffer und Andreas Kümmert begeistern unplugged

Bei so viel Soundgewalt müssen die Sinne natürlich auch zur Ruhe kommen. Die eigens eingerichtete Unplugged-Bühne hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. In Sachen Attraktivität stand sie ihrem „großen Bruder“, der Mainstage, allerdings in nichts nach. Ganz im Gegenteil: David Pfeffer gab sich auch hier, neben seinem Juryjob, die Ehre und eröffnete das Finale. Er lieferte allerdings nicht das einzige Highlight im Foyer. Zu ihm gesellte sich ein echtes „Original“. Andreas Kümmert, der derzeit wie kaum ein anderer Kandidat von „The Voice of Germany“ in der landesweiten Presse präsent ist. Er war eigens aus dem Unterfränkischen angereist, um Salzwedel live und in Farbe von seiner außergewöhnlichen Stimmgewalt zu überzeugen. Und das klappte mit Bravour. Dicht gedrängt harrten die Zuschauer vor der Unplugged-Bühne aus, um dem Sänger ganz nah zu sein. Seine beeindruckende Sangesleistung quittierten sie mit lautstarkem Applaus und unzähligen Autogrammwünschen.

Sein Rat an die vielen jungen Talente des Abends viel einfach, aber vielsagend aus:

„Auf jeden Fall immer dran bleiben und niemals aufgeben. Auch, wenn es hart wird!“

Man müsse sich irgendwann schon entscheiden, ob man Musik als Hobby betreiben oder wirklich etwas erreichen wolle. Er selbst hatte den nötigen Biss und spielt seit vielen Jahren Konzert um Konzert. Gerade erreicht er durch „The Voice of Germany“ nationale Bekanntheit: „Im Moment geht es mir eigentlich ganz gut.“ Gerade sei er ein bisschen krank, was das Ganze etwas stressig mache. Nachdem seine Blind Audition ausgestrahlt wurde, habe er zwei Nächte nicht geschlafen. Ständig habe das Telefon geklingelt. Tausende von Mails seien zu beantworten gewesen. Mittlerweile würden ihm dabei aber vier Leute zur Seite stehen. Auch er hatte am Anfang etwas „Bauchschmerzen“ damit, zu einer Castingshow zu gehen. Wenn man es aber realistisch betrachte, erreiche man nur so diese „Publicity“. Er vertritt mittlerweile die Ansicht, dass es Künstler durchaus in Ordnung ist, eine solche Plattform zu nutzen, um seine Musik ein bisschen bekannter zu machen. Das sei das Fundament, auf das man nun bauen könne. In Zukunft wolle er auf jeden Fall noch viele, viele Alben machen und auch größere Shows spielen. Ob das alles wirklich passieren werde, wisse natürlich keiner.

Ebenfalls aus fränkischen Gefilden zog es auch die Indie-Pop-Formation „Shaky Foundation“ bis in den hohen Norden. Das Trio glänzte Ende August bereits im Landesfinale von „local heroes Bayern“ und konnte auch in Salzwedel Soundakzente setzen, die die Herzen der Zuhörer im Innersten berührten. Ihnen zur Seite gesellten sich äußerst „local heroes“-erfahrene Herren. Erst Ende Oktober erspielten sich „Denmantau“ in Magdeburg den „local heroes europa award“. Die Straßenmusiker vermochten das Foyer des Kulturhauses zu später Stunde in eine waschechte schweißtreibende Party zu verwandeln, die das Warten auf die Final-Ergebnisse sichtlich versüßte.

Freuen konnte sich Dieter Herker übrigens auch über ein ganz besonderes Präsent von Salzwedels Oberbürgermeisterin Sabine Danicke. Sie ließ es sich nicht nehmen und eröffnete auch in diesem Jahr das musikalische Spektakel. „local heroes ist bundesweit im Gespräch“, so das Stadtoberhaupt. „Hier ist immer eine gute Stimmung.“ Nicht nur deshalb beließ sie es nicht nur bei einem Lob für die Veranstaltung. Sie überreichte auch einen Scheck in Höhe von 200 Euro und lud die Anwesenden schon jetzt zum Bundesfinale 2014 ein.

Es gibt noch viel zu entdecken

Erst in den frühen Sonntagmorgenstunden hieß es für die Verantwortlichen, „local heroes 2013“ ist Geschichte. Doch obschon sich die Häupter todmüde in die Kissen betteten, ist schon jetzt für alle klar: Die Nachwuchsarbeit, die seit fast einem Vierteljahrhundert ganz Deutschland vereint und mittlerweile nicht nur in Österreich, sondern auch in Ungarn, der Schweiz, in Rumänien und sogar auf Europaebene betrieben wird, muss unbedingt weiter gehen. Dass ihnen eines Tages die Talente ausgehen werden, ist nach derzeitigem Erfahrungsstand ganz sicher nicht zu befürchten. Ganz im  Gegenteil gibt es noch unzählige hervorragende junge Künstler zu entdecken. Und so heißt es auch im kommenden Jahr wieder: „Ihr spielt die Musik!“

Foto von Carmen Lenk

Die Teilnehmer 2013 im Überblick

1. Enemy Jack, Niedersachsen
2. Lia, Hamburg
3. Still Trees, Sachsen
4. Faakmarwin, Bremen
5. The Governors, Bayern
6. Schmutzki, Baden-Württemberg
7. Know No Bounds, Berlin
8. Hippie Langstrumpf, Brandenburg
9. Maudite, Schleswig-Holstein
10. Sun of a Gun, Mecklenburg-Vorpommern
11. Der Wieland, Rheinland-Pfalz
12. Moon to Ocean, Sachsen-Anhalt
13. Flash Forward, Nordrhein-Westfalen