„Wir wollen nicht nur die Begleitband für eine/n Sänger*in sein“

„Evolution“ heißt das neue Album der Magdeburger Band AnSpielung. Eine Entwicklung hört man den sechs Songs der taufrischen Veröffentlichung klar an!


Die sechs Musiker*innen haben sich ihre Sporen auf unzähligen Livekonzerten verdient, standen im vergangenen Jahr unter anderem im Sachsen-Anhaltinischen Landesfinale der local heroes und haben, nach mehreren Besetzungswechseln, ihren unverkennbaren, Genregrenzen aufbrechenden Sound gefunden. Wir sprachen mit einem Teil der Band im Rahmen ihres Albumreleases über die Entstehung ihrer Songs und ihre Wünsche und Erwartungen an die Kulturpolitik von Stadt und Land.

Am 4. Mai habt ihr eure Releaseshow in der Magdeburger Feuerwache gespielt. Euer letztes großes Konzert davor war im Dezember im Gröninger Bad. Was habt ihr in der Zwischenzeit getrieben?

Gini: Wir haben uns auf die Fertigstellung des Albums konzentriert. Die musikalische und visuelle Arbeit daran war sehr zeitintensiv und kostspielig. Das Ergebnis war es aber wert!

Max: Viele neue Songs sind entstanden, dazu haben wir unser bestehendes Repertoire überarbeitet. All das gibt es am 4. Mai zu hören. Die Vorbereitung unseres Release-Konzerts hat uns sehr beschäftigt – Technik, Deko, die Auswahl von Gastmusikern, all das galt es zu organisieren.

„Evolution“ heißt euer neues Album. Woran erkennt man die Evolution in eurer Musik?

Max: Gini und ich sind die einzigen verbliebenen Gründungsmitglieder bei AnSpielung. Es ist bei einer Band in unserem jungen Alter normal, dass da ein bisschen Fluktuation herrscht, sei es durch Umzüge oder musikalische Umorientierungen. Durch das Musik-Studium einiger Bandmitglieder kommen außerdem ständig neue musikalische Einflüsse dazu. Wir lernen viel über Songwriting und Arrangements. Damit haben wir uns am Anfang kaum auseinandergesetzt.

Moritz: Ich glaube, wir sind erst am Anfang unserer „Evolution“. Ich bin selbst neugierig, was es von uns künftig noch zu hören geben wird.

Ihr lasst zahlreiche musikalische Einflüsse in eure Musik mit einfließen. Wie geht ihr beim Songwriting vor?

Max: Die ersten instrumentalen Arrangements entstehen bei mir zu Hause, am Klavier und Computer.

Gini: In unseren Proben experimentieren wir dann mit diesen Arrangements herum und diskutieren einzelne Passagen.

Max: Es ist eine schmale Gratwanderung zwischen dem Wunsch, möglichst viel Spannendes einzubinden und die Stücke nicht zu sehr mit verrückten Ideen vollzupacken. Wenn die Musik steht, setzen sich meist Tammy oder ich an einen Text, der die Emotion hinter der musikalischen Idee in Worte fasst oder ein

Gini: Wir wollen nicht nur die Begleitband für eine/n Sänger*in sein.

Max: Ich finde es immer sehr schade, wenn ein Song nur auf den gesanglichen Teil reduziert wird und bei zeitgenössischen Radio-Pop-Nummern die „Backing Tracks“ komplett austauschbar sind. Da verschenkt man viel Potenzial. Komplette musikalische Gleichberechtigung in einem Song ist aber eigentlich nie herstellbar. Jeder hat mal eher die Begleiter- oder die Solisten-Rolle.

Einem bestimmten Genre möchtet ihr eure Musik nicht zuordnen. Braucht es solche Schubladen heute überhaupt noch?

Max: Viele Bands waren früher viel experimentierfreudiger. Heute müssen sich Musiker*innen viel eher in eine Schublade zwängen, um bei Spotify in der richtigen Playlist zu landen. Es gibt natürlich auch heute Bands, die mich immer wieder überraschen. Stilistische Vielfalt verhindert eine schnelle Abnutzung der Musik, fordert vom Hörer aber etwas mehr Entgegenkommen.

Im letzten Jahr habt ihr euch im local heroes Landesfinale Sachsen-Anhalt den Publikumssieg geholt. Wie habt ihr eure Teilnahme und das Landesfinale erlebt?

Max: Wir haben uns sehr gefreut, dass uns unsere treue Fanbase, nicht zum ersten Mal, den Publikumspreis beschert hat. Ansonsten sind solche Wettbewerbs-Konzerte mit ihren sekundengenauen

Gini: Das war für uns eine ganz neue Erfahrung mit dem straffen Zeitplan, aber eine gute Vorbereitung auf das, was im Dezember mit dem Live-Mitschnitt im Gröninger Bad auf uns zukam.

Tammy: Dazu hat uns der Publikumspreis die Fördermitgliedschaft im local-heroes-Band-Netzwerk gebracht. Die Leute da versuchen, uns mit Rat und Tat weiterzuhelfen und voranzubringen.

Gibt es etwas besonders Wichtiges, das ihr während eurer Zeit bei local heroes gelernt habt?

Moritz: Unsere Teilnahme hat uns dabei geholfen, unseren Weg zu finden. Ich konnte ein wenig erfahren, was einen im „Business“ so erwartet und konnte reflektieren, womit ich konform gehe und womit nicht. Alles im allen war es also eine positive Erfahrung.

Max: Sowohl in organisatorischer Hinsicht als auch durch die Workshops zu Pressearbeit und Social Media sind wir eine ganze Ecke schlauer geworden. Letztendlich haben wir auch in Bezug auf die Fertigstellung unseres Albums sehr von unserer Teilnahme profitiert.

Local heroes war nicht die einzige Contest-Erfahrung in eurer Bandkarriere. Inwiefern würdet ihr jungen Bands und Künstler*innen empfehlen, an Newcomer-Contests teilzunehmen?

Max: In der Anfangsphase einer Band sind solche Contests eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit, an coole Auftritte zu kommen, sich zu vernetzen und neues Publikum zu bespielen. Erwartet nicht, dass nach einer Contest-Teilnahme alles von allein läuft. Local heroes und Co. bieten tolle Hilfestellungen für junge Bands. Früher oder später muss man aber auf eigenen Beinen stehen.

Tammy: Deswegen werden wir auch nicht mehr bei Contests antreten. Lasst euch außerdem nicht

Max: Von allen Band-Contests, bei denen wir selbst mitgemacht haben oder von denen mir von anderen Musikern berichtet wurde, kann ich local heroes mit Sicherheit am meisten empfehlen. Die machen einen sehr guten Job und zocken einen nicht ab. Super Sache!

Wie beurteilt ihr die Herausforderungen, vor denen junge Musiker*innen im digitalen Zeitalter stehen? Ist es heute einfacher oder schwerer als früher, mit Musik erfolgreich zu werden?

Max: In Zeiten von Spotify und Co. ist es schwer, aus der großen Masse an wirklich guten Musiker*innen herauszustechen. Außerdem wird Musik eher nebenbei konsumiert. Als junger Künstler kann nur man versuchen, sich die neuen Gegebenheiten irgendwie zu Nutze zu machen.

Moritz: Wer wirklich motiviert ist, wird immer einen Weg finden, von Musik leben zu können. Ich bin generell zuversichtlich, dass sich mit der Digitalisierung neue Wege für Musiker*innen auftun. Wandel ist immer ein guter Nährboden für Kunst. Von einst millionenschweren Labels hat auch nicht jeder Lokalkünstler profitiert. Leichter hatten es die Leute früher also auch nicht unbedingt. Man muss heute einfach viel ausprobieren.

In vielen Bundesländern ist in diesem Jahr Landtagswahl, dazu steht die Europawahl vor der Tür. Durch Bewegungen wie „Fridays for Future“ werden die Bedürfnisse junger Menschen inzwischen vermehrt von Medien und Politik wahrgenommen. Was würdet ihr euch von der Politik wünschen, insbesondere, wenn es um die Förderung junger Musiker*innen geht?

Max: Es ist wichtig, dass Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit stärker in Politik und Medien thematisiert werden. Bedenklich finde ich, dass einige Politiker die Meinung der „Friday for Future“-Kinder diskreditieren, weil sie lieber brav in den Unterricht gehen sollten. Erwachsene streiken doch auch nicht am Wochenende.

Tammy: Ich wünsche mir eine radikale Verjüngung der Politik, keine alten weißen Männer, die über meine Zukunft entscheiden und die Welt formen, in der ich noch viel länger leben werde als sie. Musiker*innen sollten ihre Reichweite nutzen, um auf wichtige Themen aufmerksam zu machen. Das sind die demokratischen Mittel, um Hass und Populismus entgegen zu treten, was in unseren schwierigen Zeiten enorm wichtig ist.

Max: Was Musik und Kultur angeht, wünsche ich mir von der Politik mehr Engagement. Kultur wird oft als nicht lebensnotwendig betrachtet. Dabei macht sie doch eine Gesellschaft erst aus.

Tammy: Es kann nicht sein, dass Mittel zur Kulturförderung immer wieder gekürzt werden. Dadurch verschwinden Kulturstandorte oder erhöhen die Preise. Das schließt sozial benachteiligte Familien von kulturellen Angeboten aus.

Moritz: Wenn in Zukunft immer mehr Arbeiten von Maschinen übernommen werden, passt es doch wunderbar, Musik, Kunst und Soziales mehr zu fördern. Es könnten Musikzentren mit günstigen oder kostenlosen Proberäumen gegründet und Lehrangebote geschaffen werden, die mehr Austausch fördern. Auch Instrumentenbau und Innovationen in der Audiotechnik gehören gefördert. Uns hat die Unterstützung vom Gröninger Bad bei Aufnahmen, Proberaumsuche und neuen Kontakten sehr geholfen, allerdings finanziert sich das Gröni vor allem durch Sponsoren. Solche Institutionen sollten auch auf politischer Ebene mehr gefördert werden.

Max: Unsere Heimatstadt Magdeburg hat da erheblichen Nachholbedarf. So wird das nichts mit dem Titel Kulturhauptstadt 2025!

Das Interview führte Lina Burghausen: Mona Lina

Das Album „Evolution“ ist ab sofort erhältlich. Bands, die 2019 an local heroes teilnehmen möchten, können sich weiterhin per E-Mail an bewerbung@local-heroes.de oder über ihr Bandprofil anmelden. Die Teilnahme ist kostenlos.

Titelbild: Christoph Eisenmenger

Mai 2019