„Abgecheckte Show. Das ist cool, professionell. Sie sind gefühlt keine Newcomer“, lobt Juror Pablo Christlein. (Foto: Line Tsoj)

Sachsens Newcomer-Szene hat viel zu bieten. Mit „glu:“ hat das Bundesland eine seiner talentiertesten Nachwuchsbands ins local heroes Bundesfinale 2023 entsandt. Die Synth-Pop-Künstler:innen gehören zu einem ausgewählten Kreis von zwölf Acts, die sich auf Bundesebene von Deutschlands größtem Non Profit-Newcomer-Musikpreis präsentieren dürfen. Anfang September ging es für alle Bundesfinalist:innen nach Schloss Hundisburg bei Magdeburg, wo eine aufwendige Bundesfinal-Doku produziert wurde. Sie wird am 9. Dezember, ab 20 Uhr, in Musikclubs, soziokulturellen Zentren und weiteren Einrichtungen der Kulturszene in den Heimatstädten der Finalist:innen ausgestrahlt. „glu:“ laden ihre Fans hierzu in die KulturLounge Leipzig ein.

„Aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Sachsen, verbinden wir damit nicht nur positive Assoziationen. Auf der anderen Seite bietet unser Bundesland eine diverse und schöne Musiklandschaft – wir sind stolz, ein Teil dieser sein zu dürfen“, stellen sich „glu:“ aus Leipzig vor. Die Musikszene in ihrer Heimat erleben sie als „vielfältig, divers, offen und in der Regel sehr wertschätzend“. Bands würden sich gegenseitig aushelfen und viele Veranstalter:innen sich Mühe geben, auch die Untergrund-Musikszene am Leben zu halten. Erfahren hätten sie das auch im Rahmen ihrer bisherigen local heroes-Reise, zum Beispiel beim sächsischen Landesfinale: „Von Seiten der Veranstalter:innen war das sehr gut organisiert und professionell auf höchstem Level. Auf Seiten der Musiker:innen herrscht eine tolle, wohlwollende und gemeinschaftliche Atmosphäre.“


local heroes Bundesfinale – „glu:“ betreten Neuland

Dieser Eindruck setzte sich Anfang September fort. Vier Tage verbrachte die Band in einem der bedeutendsten Barockschlösser Sachsen-Anhalts, um dort gemeinsam mit ihren Mitstreiter:innen die Bundesfinal-Doku 2023 zu drehen. Hier konnten sie nach Herzenslust netzwerken, sich in Interview-Situationen ausprobieren, erhielten Individual-Coachings und absolvierten ein Live-Recording ihres ausgesuchten Songs. Der Höhepunkt für alle Beteiligten: Die Teilnehmer:innen bekamen im Rahmen der Aufzeichnungen die Möglichkeit, sich während drei abendlicher Live-Sessions näher kennenzulernen und ihr Potential der Öffentlichkeit zu präsentieren.


„Wir freuen uns auf viele gute Erfahrungen und darauf, uns mit anderen Musiker:innen zu connecten“, so ihre Erwartungen im Vorfeld. „Wichtig ist uns, dass es keine Wettbewerbssituation Musizierende vs. Musizierende wird. Darum sollte es in der Musik nie gehen.“ Das hat sich für „glu:“ erfüllt. Viele der dort absolvierten Stationen waren für Sängerin Lotti und ihre Bandkollegen Maximilian, Tim und Philipp Neuland. „Einerseits haben wir uns einige Elemente zurechtgelegt, andererseits ist uns Authentizität wichtig und deswegen wollen wir nicht vorab schon alles zerdenken“, sagen sie. Doch das Wichtigste war wohl nicht nur für sie, sondern für alle Teilnehmer:innen, die gemeinsame Zeit. „Das allgemeine Miteinander empfanden wir als wunderschön. Alle Organisator:innen waren durchgehend wohlwollend und unterstützend, alle Musiker:innen waren durchweg auf Teamarbeit und Unterstützung untereinander bedacht.“ Schon jetzt hätten sie sich mit einigen der anderen Bands zu weiteren gemeinsamen Konzerten verabredet und wollen auch mit anderen Beteiligten weiterhin Kontakt halten. „Damit haben wir alle unsere Vorab-Wünsche erreicht!“ Und sie denken bereits weiter. Noch in diesem Jahr möchten sie zwei weitere Releases angehen. Einen davon im Zusammenhang mit local heroes und dem während der Dreharbeiten entstandenen Live-Video. „Außerdem ist unser Ziel, in Zukunft möglichst viele schöne Konzerte zu spielen und eventuell im nächsten Jahr auch eine zusammenhängende Tour auf die Beine zu stellen.“

Sängerin Lotti – schon jetzt ein Star?

„glu:“ packen es an. Das haben sie von Beginn ihrer gemeinsamen Zeit als Band so gehandhabt. „Kurz nachdem wir uns zu viert gefunden haben, begann die Pandemie“, erzählen sie. „Einen Weg zu finden, trotzdem gemeinsam Songs zu schreiben, war eine große Herausforderung, die wir gut gemeistert haben, indem wir per Videocalls, File-Transfers und Remote-Arbeit unsere Lieder entwickelt haben.“ So hätten sie nach dem Lockdown direkt mit Konzerten loslegen können. „glu:“ kann jedoch auch spontan. Schmunzelnd erinnern sie sich etwa an einen Supportgig für Klan und Tonbandgerät, für den sie nur gut fünf Stunden vorab angefragt wurden. „Und obwohl wir alle in verschiedenen Teilen Deutschlands waren, haben wir es geschafft, pünktlich auf der Bühne zu stehen!“ Highlights gab es in ihrer noch recht kurzen Bandgeschichte bereits so einige. „Starker Anwärter auf Platz 1 ist aber auch das Wochenende auf Schloss Hundisburg. So viel gemeinsame kreative und wohlwollende Energie haben wir alle seit langem nicht mehr oder noch nie gefühlt.“

Ob glitzernde Bühnen-Deko oder schillerndes Outfit: glu: überließen bei ihrer Live-Session auf Schloss Hundisburg nichts dem Zufall. (Foto: Line Tsoj)

Diesen Vibe spüren auch die diesjährigen Juror:innen. „Ich find’s geil, dass sie sich über Bühne und Outfit Gedanken machen“, freut sich etwa Juror Pablo Christlein. Seine Kollegin Senta-Sofia Delliponti schwärmt hingegen von Lottis Stimme. Und auch die Arrangements seien „total ausgecheckt“. Jurorin Angela Peltner war nach ihrer Live-Session vollends aus dem Häuschen. „Ich war total begeistert von glu:. Ich mag diesen Style. Es hat mich total an t.A.T.u. erinnert. Und die fand ich großartig. Lotti ist für mich ein Star. Ich sehe sie auf europäischer Ebene.“

Keine Angst vor Pop

Ob sich diese Prophezeiung erfüllen wird? „glu:“ jedenfalls geben sich selbstbewusst: „Wir können ohne Zurückhaltung sagen, dass wir keine Angst vor Pop haben. Anfangs haben wir noch um diesen Begriff wie um den heißen Brei herumerzählt, aber jetzt sind wir stolz darauf, dass wir gute Pop-Songs schreiben können.“

Coach David Pfeffer, der sich gemeinsam mit Felix Mannherz erneut den Bundesfinalist:innen angenommen hat, ist ebenfalls optimistisch. „Musik ist immer nur ein Stück weit das Können. Man sagt zwar Qualität setzt sich durch. Das ist in gewisser Weise auch richtig. Doch man kann Erfolg nicht prophezeien. Der Markt ist groß und es gehört immer noch ganz viel Glück dazu, wirklich erfolgreich zu werden. Aber die Basis, das, was ein Künstler mitbringen muss, haben im diesjährigen Teilnehmer:innenfeld durchaus einige. Und zwar von der Persönlichkeitsstruktur, aber auch musikalisch. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige dabei sind, die sich behaupten könnten.“

Bei ihrem Konzert auf Schloss Hundisburg zogen glu: Publikum und Jury in ihren Bann. (Foto: Matthias Piekacz)

Dass ein gewisser „Biss“ dazugehört, ist auch „glu:“ bewusst. „Seit dem Ende der Pandemielage ist es schwierig für Newcomer:innen in Support-Slots zu rutschen oder allgemein Konzerte zu spielen, da die größeren Künstler:innen nach wie vor häufig am Nachholen der ausgefallenen Konzerte sind“, so ihr derzeitiger Eindruck. Auch sei die Musikszene derzeit noch übersättigter als zuvor. Die Leute seien zwar gewillt, Musik zu erleben, aber es könne sich niemand sieben Konzerte pro Woche leisten, finanziell und zeitlich. Daher würden natürlich auch die Besucherzahlen zurückgehen.

Organisation, Leidenschaft – und ein Doktor

Ihr Rezept, wie sie langfristig bestehen könnten, haben „glu:“ für sich indes gefunden. Einer der Schlüssel sei auf jeden Fall eine gute Organisationsfähigkeit, auch weil mehrere Bandmitglieder inzwischen eine Familie mit Kind hätten. Natürlich müsse man auch für die Musik brennen. „Aber vor allem muss man sich mögen, um auch (oft berechtigte) Kritik untereinander und das lange Aufeinander-Hocken aushalten zu können. Zum Glück haben wir einen Doktor in der Band, der uns im Zweifelsfall alle therapieren kann.“

Letzteren werden „glu:“ hoffentlich nicht so schnell brauchen. Denn für die Band und ihre local heroes Mitstreiter:innen steht demnächst Großes an. Welcher Act den inzwischen wichtigsten Musikpreis der deutschen Non-Profit-Musikszene beim local heroes Bundesfinale erhält, wird im Rahmen der Ausstrahlung am 9. Dezember ab 20 Uhr bekanntgegeben. Hierzu laden „glu:“ zu ihrer eigenen Veranstaltung in die KulturLounge Leipzig ein. Die finale Entscheidung obliegt, neben der Fachjury, auch dem Publikum, das in den einzelnen Lokalitäten zur Abstimmung aufgefordert wird und über einen eigenen Publikumspreis entscheidet. Infos und Tickets findest du hier.

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Text: Lina Burghausen & Nicole Oppelt
Fotos: Line Tsoj & Matthias Piekacz