Interview: MADSEN als Special Guest beim Bundesfinale 2018

„Madsen“ – in Salzwedel ist dieser Name so ziemlich jedem ein Begriff. Die Indie-Rock-Band aus Prießeck wird hier seit ihren Anfängen gefeiert. Nun kehren Johannes, Sascha und Sebastian Madsen mit ihrem Bandkollegen Niko Maurer zurück.


Als Special Guest des „local heroes“-Bundesfinales am 10. November unterstützt MADSEN den musikalischen Nachwuchs bei ihrem Auftritt im Kulturhaus. Wir sprachen mit Sascha Madsen über die eigenen Erfahrungen in diesem Wettbewerb, das Rüstzeug, das junge Musiker heute mitbringen sollten, und Erlebnisse, die sie jüngst auf Platte verarbeitet haben.

Der 10. November ist für 14 Nachwuchsbands aus ganz Deutschland ein ganz besonderer Termin. Zum ersten Mal stehen sie auf der Bühne des Kulturhauses von Salzwedel und zeigen dort, dass sie das Zeug haben, einmal zu den ganz Großen zu gehören. Viele ehemalige Teilnehmer beschreiben den Moment, bevor es raus ging, als magisch. Kannst du dich noch erinnern, wie das bei euch war?

Sascha Madsen: Ja klar! Ich kann das nur bestätigen. Das ist auch der Grund, warum wir immer noch Schirmherren sind und wir das tatsächlich auch immer noch machen – eben, weil wir uns genau an diesen Moment erinnern können. Er ist eingebrannt. Es war die größte Möglichkeit für uns, das Wichtigste überhaupt. Wir hatten zum ersten Mal das Gefühl, jetzt geht was. Jetzt müssen wir wirklich gut sein. Das ist jetzt der Moment, auf den es wirklich ankommt. Es muss alles so funktionieren, wie wir uns das vorgestellt haben. Dieses aufgeregt sein, die Vorrunde zu gewinnen, das alles ist einmalig und gibt es heutzutage kaum noch für junge Bands.
Es wird immer wieder gefragt, welche Tipps man jungen Bands geben kann. Und immer wieder hört man als Antwort: spielen, spielen, spielen. Aber das ist gar nicht so einfach. Wo sollen sie denn auftreten? Immer in dem gleichen Miniladen, in dem die 30 Leute, die immer da sind, die Band auch irgendwann gut kennen? Deshalb ist es umso wichtiger, dass es so etwas noch gibt und uns umso wichtiger, das zu unterstützen.

Anlässlich einer Kooperation zwischen der RTL-Daily-Soap „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ und „local heroes“ im Jahr 2003 war ein Fernsehteam von RTL beim Bundesfinale in Salzwedel. Als Headliner spielte „Alices Gun“ (heute „Madsen“). (Foto: Bernd Zahn)

Am Anfang steht unfassbar viel üben

Wie habt ihr euch denn damals auf den Auftritt vorbereitet? Denn ein gewisser „Druck“ ist ja offenbar da…

Sascha Madsen: Ja, das ist mit einem gewissen Druck verbunden und natürlich ist man wahnsinnig aufgeregt. Man darf aber nicht vergessen, auch locker zu sein – oder es zumindest zu versuchen. Der Spaß an der Sache sollte nicht verloren gehen. Wenn dann so fünf junge, verbissene Typen auf der Bühne stehen und krampfhaft versuchen, ihr Programm herunter zu spielen, kann es das auch nicht sein. Besser ist es, einfach so unfassbar viel zu üben, bis man keine Sekunde mehr darüber nachdenken muss, was man spielt. Erst dann kann man versuchen, sich darauf zu fokussieren, trotz der Angespanntheit, Spaß an dem zu haben, was man da auf der Bühne macht.

Eure Bundesfinal-Teilnahme als Band „Alices Gun“ war 1997. Verdammt lange her. Und dennoch: Wie erging es euch danach? Hat es euch Auftrieb verschafft?

Sascha Madsen: Ja schon. Wir haben mit „Alices Gun“ die Vorrunde in Niedersachsen gewonnen. Das Finale selbst stand ja unter einem „Hippie-Gedanken“: Dabei sein ist alles. Einen Sieger in dem Sinne gab es nicht. Es wurden alle gemeinsam gefeiert. Der absolute Knaller für uns im Nachhinein war jedoch die Studio-Erfahrung, die wir sammeln durften. Jede teilnehmende Band durfte damals zwei Lieder zu einem Sampler beitragen. Das war Gold wert für uns. Mit der CD und den sehr gut produzierten Liedern konnten wir hausieren gehen und zeigen, was man hat und was man kann. Auch die Erfahrung dieser großen Bühne, das Konzert, der Wettbewerbsgedanke, dass es um so viele Bands und um so viel Musik ging – man lernte so viele Leute kennen, tauschte sich aus. Davon haben wir extrem profitiert.

„local heroes“ begleitet „Madsen“ seit Beginn ihrer Karriere. „Für Dieter würde ich alles machen“, gesteht Sebastian Madsen beim „ab geht die Lutzi“ 2017 in Bad Kissingen. Sie würden alles versuchen, um beim Bundesfinale spielen zu können. (Foto: RE ON TOUR)

Musik machen – harte Arbeit, die sich lohnt

„Uns kommt es so vor, als hätten wir erst gestern angefangen“, habt ihr 2017 auf dem „Ab geht die Lutzi“-Festival in Rottershausen verraten. Doch: Die Veränderungen im Musikgeschäft seit euren Anfängen sind augenscheinlich. Muss der Nachwuchs heute andere Qualitäten mitbringen als in den 1990ern?

Sascha Madsen: Ja. Ich glaube aber, dass es tatsächlich wieder ein bisschen mehr in Richtung Qualität geht. Mittlerweile sitzt jeder zweite, der meint, Musik zu machen, zuhause am Rechner und bastelt Beats zusammen und versucht, mehr schlecht als recht darauf zu reimen. Das kann man machen. Ich will das auch gar nicht schlecht reden. Auch hier gibt es jene, die wirklich großartig sind und eine eigene Kunstform daraus machen. Aber das können eben nicht viele. Sehr viele denken aber, dass das Musikmachen ist – ist es aber in den meisten Fällen nicht. Es ist schön zu sehen, dass es junge Bands gibt, die auch Instrumente spielen, die das auch handwerklich erst einmal erlernen. Es ist jahrelange, langweilige und mühsame Arbeit. Aber es lohnt sich. Dann Beats auf dem Schlagzeug zu spielen, die Gitarre oder ein Klavier dazu und im besten Fall am Ende auch noch gut zusammen, daraus besteht die wahre Kunst.

„local heroes“ steht für „nachhaltiges Netzwerken“, für Verbindungen über das Bundesfinale hinaus. Wie würdet ihr heute eure Verbindung zu „local heroes“ und Salzwedel beschreiben? Und vor allem, wie sollten sich die aktuellen Teilnehmer diese Besonderheit zunutze machen?

Sascha Madsen: Wir sehen Salzwedel und vor allem „local heroes“ tatsächlich als unsere musikalische Heimat. Das waren unsere Anfänge. Hier waren unsere festen Bastionen, wo wir gelernt haben. Es war nicht immer einfach. Es war oft schön. Aber vor allem haben wir gelernt zu spielen und worum es geht. Hier haben wir Unterstützer gefunden und Leute, die uns gesagt haben, was man machen muss. Und so muss man das auch sehen. Es gibt viele junge Bands, die denken, dass sie das Maß aller Dinge sind und dass alle anderen sich hinten anstellen müssen. Das verstehe ich, so waren wir auch ansatzweise. Das ist aber ein Trugschluss. Wenn man gerade eine Band gegründet hat, weiß man nichts. Man muss sich gute Leute raussuchen, die einem selbstlos weiterhelfen können und wollen. Dieter Herker und Aktion Musik e.V. haben sich genau das auf die Fahne geschrieben. Allein deshalb ist der Verein so wichtig.

Aus den kleinen Clubs in Salzwedel ging es für „Madsen“ im Laufe ihrer Karriere auch auf richtig große Bühnen – wie hier beim Hurricane 2015. (Foto: Marco Sensche)

Dieses Jahr seid ihr als Special Guest beim Bundesfinale wieder mit von der Partie. Und die Freude beim Publikum ist riesig – das verrät nicht zuletzt der „stramme“ Vorverkauf der letzten Wochen. Ist es ein bisschen wie „heimkommen“?

Sascha Madsen: Das freut uns total. Es liegt ja auch nichts näher, als jetzt wieder hier zu spielen, als positives Beispiel einer ehemaligen „local heroes“-Band da stehen zu können und sagen zu können: Wir waren mal genau wie ihr und haben genau so angefangen. Und wenn ihr ehrlich seid, wenn ihr selbstkritisch seid, aber auch selbstverliebt, dann könnt ihr das auch schaffen. Denn für uns war das unser Startschuss, unser Katapult.

Auch gestandene Musiker sind verwundbar

Als besonderes „Geschenk“ habt Ihr euer neues und nunmehr siebtes Album „Lichtjahre“ im Gepäck. Für all jene, die noch nicht in den Genuss kamen – worum geht’s?

Sascha Madsen: Wir haben uns diesmal sehr viel Zeit gelassen. Sebastian hatte am Ende des letzten Jahres eine Krise und viel mit Angstzuständen und Panikattacken zu tun. Um das zu verarbeiten, hat er dann angefangen Songs zu schreiben. „Wenn es einfach passiert“, der Opener des Albums, war das erste Lied, das er für „Lichtjahre“ geschrieben hat. Es ist die Verarbeitung von dem, was ihm beim Vorgängeralbum „Kompass“ passiert ist. Da haben wir Brüder und der Rest der Band erst verstanden, was da eigentlich geschehen ist und wie heftig es war. Dadurch konnten wir dann auch erst richtig auf ihn reagieren und richtig damit umgehen. Panikattacken und Angstzustände – das ist nicht schön. Man denkt auch nicht, dass das so einen gestandenen Musiker wie meinen Bruder treffen könnte. Pustekuchen, da gibt es noch ganz andere Beispiele. Das, also Angst und Verarbeitung der Panik, wenn sie denn aufkommt, ist auch ein bisschen das übergeordnete Thema der Platte. Aber natürlich geht es auch um Liebe, um Jugend und um Nostalgie.

Radio Fritz beschreibt das Album als „Lieder für den Kampf gegen den inneren Schweinehund“. Ist es genau das, was ihr auch den jungen Leuten heute – über das Bundesfinale hinaus – mitgeben möchtet? Bekommt den Hintern hoch!

Sascha Madsen: Da hat Radio Fritz absolut Recht. Selbstverständlich möchten wir das den jungen Bands auch mitgeben. Wobei diese Aussage natürlich viel weiter geht. Bekommt den Hintern hoch, macht überhaupt Musik und lernt ein Instrument. Es geht nicht nur ums Rumhängen und Bier trinken. Das ist harte Arbeit. Es gilt also, sich erst einmal in den Proberaum zurückzuziehen und dort solange zu üben, bis man gut ist. Dann kann man erst damit rausgehen und so viel spielen wie möglich.

Das Interview führte Nicole Oppelt.

Titelbild: Auch das Bundesfinale in Salzwedel ist für „Madsen“ keine Routine. Im Vorfeld wird geübt, bis sich die Balken biegen. (Foto: Dennis Dierksen)