Mit „Medium Green“ hat das Bundesland Sachsen in diesem Jahr eine aufstrebende junge Band zu den local heroes-Bundesfinaltagen nach Schloss Hundisburg entsandt. Die fünf Artists brachten frischen Wind in die alten Gemäuer. Damit machten sie den ausgewählten Kreis von insgesamt elf Acts komplett, die ihre Musik auf Bundesebene von Deutschlands größtem Non Profit-Musikpreis präsentieren.
Den ausgiebigen Dreharbeiten und Workshops im September folgt in diesem Jahr erstmals eine glanzvolle Preisverleihung am 23. November in der Viehbörse in Magdeburg. Im Rahmen dieser Gala wird nicht nur der „Beste Newcomer-Act Deutschlands 2024“ gekürt, sondern auch bekanntgegeben, wer in einer der anderen von insgesamt sechs Kategorien punkten konnte.
„Wir haben uns dieses Jahr entschieden, per Juryentscheid einer jungen aufstrebenden Band aus Sachsen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam mit uns zu wachsen und ihr ganzes Potential auszuschöpfen“, informierten die local heroes-Landesveranstalter:innen Sachsen Anfang September. Die zuständige Jury ernannte das Leipziger Quintett „Medium Green“ zu ihren „Stars 2024“ und erklärte: „Ihre Anspruchshaltung, Vision, Repertoire und ihre jugendliche Dynamik überzeugten.“
Wie recht die Expert:innen mit ihrer Einschätzung hatten, zeigte sich nun im local heroes-Bundesfinale 2024 auf Schloss Hundisburg. „Für ihr Alter unfassbar krasse Instrumentalisten und eine tolle Frontfrau“, so das Fazit von Juror Pablo Christlein. Der Musiker, Musikphysiologe und Songwriter befand ihre Live-Session als „wunderbar“ und riet der Band: „Bitte genau so weitermachen. Dann sieht man sich in fünf oder zehn Jahren auf großen Bühnen!“
Was für ein schönes Lob für die jungen Musiker:innen, die im Jahr 2022 als reine Instrumentalband begonnen haben. „Feli ist seit gerade einmal einem Monat als Sängerin fester Teil unserer Band und hat unsere Arbeit bereits unfassbar ins Positive verändert. Wir könnten glücklicher kaum sein! Sie ist professionell, kreativ, selbstbewusst und hat genauso viel Bock, berühmt mit der Sache zu werden, wie wir“, geben sie kurz nach den Dreharbeiten Einblick in die monatelange Suche nach einer passenden Sängerin, die mit vier Instrumentalisten harmonieren sollte, die bereits „reibungslos aufeinander abgestimmt waren“.
Kein Wunder, dass local heroes und alle damit verbundenen Erfahrungen zu den bisherigen Highlights der Bandgeschichte gehören „Zum ersten Mal war Medium Green von Profis in der Musikindustrie umgeben“, erzählen sie. Das sei eine Erfahrung gewesen, die den Kurs ihres künstlerischen Werdegangs auf jeden Fall beeinflusse.
„Medium Green“: Classic Rock meets 90s
Felicitias, Gunter, Meymouna, Ferdinand und Ben haben klare musikalische Idole. Jimi Hendrix und Paul McCartney gehören auf jeden Fall dazu. „Classic Rock, besonders aus den 70ern, inspiriert uns am meisten“, erklären sie ihren musikalischen Stil. „Allerdings verorten wir auch einige unserer Tendenzen was Songwriting und Sound anbelangt in den 90ern, mit Britpop oder Indie.“
Ihr Songwriting möchten sie ganz nah bei den jungen Menschen von heute wissen. „Wir sind Jugendliche, die Texte über das Jungsein schreiben. Motive in unseren Songs sind Liebe, Angst, Sehnsucht und Zweifel.“ Im Augenblick hätten sie (noch) nicht den Anspruch, mit Hilfe von Lyrics „große Statements“ zu setzen. Ihr Fokus läge eher auf „Greifbarkeit“, und damit in ihrem Fall auf der „Vermittlung der Realitäten eines Teenagers“.
Überhaupt machen sich die Fünf viele Gedanken über ihr Musikprojekt. Bei local heroes gelandet seien sie, weil sie nach Fördermitteln für ihre erste EP Ausschau gehalten hätten. Sie stießen auf Pierre Eichner von der KulturLounge in Leipzig. Die Nominierung für das Bundesfinale folgte quasi auf dem Fuße. „Wir als Band konnten uns diese riesige Chance nicht entgehen lassen, weil wir den Mehrwert für unsere Karriere gesehen haben“, blicken sie zurück.
„Für uns ist local heroes ein echtes Sprungbrett, das uns extrem geholfen hat, nicht mehr nur als ‚Schülerband‘ wahrgenommen zu werden.“ Natürlich habe die Teilnahme auch Druck erzeugt. Schließlich wurden sie als Schülerband zu Repräsentanten von ganz Sachsen. Obendrein habe es kein Landesfinale gegeben, in dem sie sich hätten beweisen müssen. Ohne jegliche Erfahrungen im Bundesfinale mit dabei zu sein, sei für sie eine „umso größere Ehre“. Und noch mehr: „In unseren Augen repräsentieren wir nicht nur Sachsen 2024, sondern eine ganze Generation an jungen Musikern und Bands, die gehört werden wollen.“
Wunschtraum: Mehr Newcomer-Förderung durch das Land
„Medium Green“ wissen, wovon sie sprechen. Besonders in ihrer Heimatstadt Leipzig gäbe es viele kleine Bands. „Unser Nightlife lebt von Gigs“, schwärmen sie von ihrer Stadt mit einer großen musikalischen Tradition. Nichtsdestotrotz basiere die aktuelle Musikszene vor allem auf Eigenverantwortung. „Unterstützung ist in unseren Augen kaum gegeben und Newcomer kommen leider nur sehr schwierig an die Kulturförderung, die der Staat Sachsen bietet“, so ihre Einschätzung. Ihrer Ansicht nach fehle es an Portalen, um Fragen stellen zu können. „Wären wir nicht so barmherzig von Pierre aufgefangen worden, wären wir womöglich an unserer eigenen Naivität gescheitert“, geben sie unumwunden zu.
Pierre Eichner (Betreiber der Leipziger Kulturlounge + local heroes Landesveranstalter) sei es dann auch gewesen, der sie intensiv mit Proben- und Coachingtagen auf das Bundesfinale vorbereitet habe. „In dieser Zeit hat er uns alles Erdenkliche beigebracht, was mit dem Musikbusiness zu tun hat; von wie man Soundchecks richtig macht, über Stage-Presence bis hin zum zwischenmenschlichen Umgang innerhalb der Band.“ Ihr großes Anliegen, das sie wohl stellvertretend für viele andere aufstrebende Künstler:innen in ihrem Bundesland formulieren, lautet daher: „Wir wünschen uns von der Landesregierung nicht nur mehr finanzielle Förderung für Newcomer, sondern überhaupt erstmal die Möglichkeit, problemlos seine ersten Schritte im Musikbusiness zu tätigen.“
Die Tage auf Schloss Hundisburg seien für sie daher unvergesslich. Bereits bei ihrer Ankunft hätten sie eine Reihe von Fähigkeiten entwickelt, die es ihnen ermögliche, künftig eine professionellere Haltung einzunehmen. „Dieser Aspekt wurde durch den Austausch mit Musiker:innen anderer Bands noch bereichert, da wir andere Stile und andere Visionen kennenlernten, die uns inspirierten, und durch die Anerkennung, die wir durch das Feedback erhielten“, so ihr Resümee.
Auch die konstruktive Kritik und die guten Ratschläge der Coaches Felix Mannherz und David Pfeffer schwingen nach wie vor mit. „Wir sind immer noch dabei, alles Kreative zu verarbeiten, was besprochen wurde“, gestehen sie. „Wir hoffen durch die Teilnahme bei local heroes durch besseren Teamgeist, verbesserte kommunikative und organisatorische Fähigkeiten und vor allem erhöhte Aufmerksamkeit für uns als Band im Kontext mit unserem Alter zu profitieren.“ Ihr aktuelles Ziel lautet (unter anderem): Der Aufbau einer Fangemeinde in Leipzig. „Dafür wollen wir mehrere Locations anschreiben und unser eigenes Set erweitern.“
Verstaubte Regeln über Bord werfen
Was es braucht, um als Musikprojekt länger zu bestehen, davon haben „Medium Green“ bereits eine Idee. Neben den offensichtlichen Aspekten wie Originalität, Einfallsreichtum und Talent, sei für sie vor allem eines entscheidend: „Die offene Kommunikation und die Kompromissbereitschaft jedes einzelnen Bandmitglieds.“ Eine Band sei eben nicht nur einfach eine Gruppe von Musiker:innen, die nichts tun müssten außer Songs zu schreiben und zu spielen. Vielmehr sei das Schreiben und Performen von Liedern nur das Ergebnis der gesamten zwischenmenschlichen Arbeit. Sie selbst versuchen, eine solche „aufrichtige und ehrliche Atmosphäre“ innerhalb ihrer Band zu leben und hoffen, dass sie genau das von so manch anderem Bandprojekt unterscheide.
In der Branche, wie sie heute ist, fehle es ihnen außerdem oft an Kreativität und Authentizität. Ein Umstand, der ihrer Meinung nach auch durch die herrschenden „Regeln“ im Musikbusiness verursacht würde. Eine Folge sei die Wiederholung alter Muster in neuen Projekten. „Wir würden uns wünschen, dass die Musikindustrie bei zukünftigen Projekten mehr künstlerischen Wert kultiviert und die Regeln ein wenig ignoriert, um neue Aspekte zu schaffen, die die Entwicklung der Musik als Ganzes beeinflussen.“
Dementsprechend neugierig dürften auch ihre professionellen Begleiter:innen die Zukunft der Band beobachten. Für die Sängerin, Musicaldarstellerin, Schauspielerin und Jurorin Senta-Sofia Delliponti war das local heroes-Bundesfinale 2024 „wunderschön und bewusstseinserweiternd“. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen habe sie „tolle Talente gesehen“. Als Jury vor Ort versuchten sie immer, supportive zu agieren, wirklich zu unterstützen und konstruktive Kritik zu geben, die die Artists weiterbringt. Dieses Prinzip beachten sie auch mit Blick auf die local heroes-Preisverleihung am 23. November.
„In der Entscheidungsfindung betrachten wir die Acts individuell. Man kann und sollte sie gar nicht miteinander vergleichen.“ Musiker, Musikphysiologe und Songwriter Pablo Christlein stimmt ihrem Gesamteindruck zu: „Was für ein Glück hatten wir mit den Bands! Was wir immer für ein Glück haben mit der Crew. Es ist eine absolute Ehre und eine Riesenfreude hier zu sein.“ Das Bundesfinale sei einfach besonders. „Es ist eine irre Location. Es gibt unfassbar krasse ehrenamtliche Helfer. Man wird hier umsorgt und darf Musik anhören und machen.“
local heroes-Bundesfinale: Was für tolle Talente
Musikjournalist Martin Hommel, der erstmals mit von der Partie war, scheint nun ebenfalls vom „local heroes-Virus“ infiziert. Die Zeit auf dem Schloss sei für ihn außergewöhnlich gewesen: „Obwohl wir uns natürlich im weitesten Sinne im Musikbusiness bewegen, fühlt sich das gar nicht an wie das eigentliche Musikbusiness, wie man es kennt.“ Alle seien viel freundlicher und offener. Er habe es als überaus positiv und inspirierend empfunden, dass es auch so sein könne. Und: „Dass man den jungen Künstler:innen im weitesten Sinne mitgeben kann, dass es so auch funktionieren kann.“
Gut ergangen ist es offenbar auch den beiden Coaches. „Es waren sehr unterschiedliche Stadien dabei, in denen die Finalist:innen sich befinden“, so der Eindruck von Coach Felix Mannherz. Der Schlagzeuger, Gitarrist und Sänger freute sich über die abwechslungsreiche Aufgabe. Manche der Acts berieten er und sein Kollege, der Sänger und Songwriter David Pfeffer, mit der Perspektive, auch beruflich Musik zu machen, andere mit dem Anspruch, das nur aus einer Leidenschaft heraus zu tun. Er betont: „Die Strategie ist nicht für jede Band dieselbe.“ Die Problematiken, die sie den Musiker:innen aufzeigen, seien diesen oft schon bewusst, ergänzt David Pfeffer. „Häufig merken wir schon im Bundesfinale, welche Acts einen anderen Drive mitbringen.“ Genau diese seien es, die einige Jahre später auf einem höheren, professionellen Niveau zu sehen sein würden.
Bereits am 23. November kommt es zum Wiedersehen zwischen Artists, Coaches, Jury und local heroes-Team bei der großen Preisverleihungsgala in der Viehbörse in Magdeburg. „Die Sieger:innen werden im Anschluss an die Preisverleihung medienwirksam verkündet“, erläutert local heroes-Geschäftsführerin Julia Sasse. „Sie erwarten Preise in Höhe von rund 10.000 Euro.“ Die Entscheidung obliegt, neben der Fachjury, auch dem Publikum, das parallel zur Online-Abstimmung aufgefordert werde und über einen eigenen Publikumspreis entscheide. Der Preis ist dotiert mit einem Gutschein über 500 Euro, gestiftet vom Musikhaus Thomann.
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Text: Nicole Oppelt, Lina Burghausen
Fotos: Line Tsoj