Es ist „eine Melange aus synthaft gutem Electropop, Futurepunk und magischer Performance“, erklären „Laturb“ ihren Musikstil. | Foto: Line Tsoj

Bremens Newcomer-Szene ist bunt. Mit „Laturb“ hat das Bundesland eine seiner talentiertesten Nachwuchsbands ins local heroes Bundesfinale 2023 entsandt. Die Synth-Pop-Künstler gehören zu einem ausgewählten Kreis von zwölf Acts, die sich auf Bundesebene bei Deutschlands größtem Non Profit-Newcomer-Musikpreis präsentieren dürfen. Anfang September ging es für alle Bundesfinalist:innen auf das Schloss Hundisburg bei Magdeburg, wo eine aufwendige Bundesfinal-Doku produziert wurde. Sie wird am 9. Dezember, ab 20 Uhr, in Musikclubs, soziokulturellen Zentren und weiteren Einrichtungen der Kulturszene in den Heimatstädten der Finalist:innen ausgestrahlt. „Laturb“ laden ihre Fans hierzu ins Gondi in Bremen ein.

„Humor, sehr viel Humor! Dafür gucken wir regelmäßig 'Alf'. Zum Glück werden da nur Katzen gejagt, keine Goldfische“, antworten „Laturb“ schmunzelnd auf die Frage, was ein Musikprojekt mitbringen müsse, um heutzutage längerfristig zu bestehen. Anne, Cordula und Tim nehmen sich selbst nicht allzu ernst. Erst 2019 ist ihr Projekt als eine Art „Kopfgeburt“, wie sie es selbst nennen, und unter dem bescheidenen Slogan „Lasst mal berühmt werden“ entstanden. Damals haben sie „Annes Punk, Cordels Pop und Tims New Wave sowie nur rudimentär vorhandene Ableton-Kenntnisse in einen Topf geworfen, angerührt, aufgekocht, abgeschöpft, weggeschüttet, eingefroren, angezweifelt, durchpüriert, neu aufgekocht und rausgekommen ist ein Grobgerüst“ ihrer heutigen Show.

local heroes Bundesfinale – mehr als nur Prinzessinnenleben

Und diese ist schillernd! Davon konnte sich das Publikum erst Anfang September überzeugen. Vier Tage verbrachte das Trio in einem der bedeutendsten Barockschlösser Sachsen-Anhalts, um dort am local heroes Bundesfinale 2023 teilzunehmen. Hier konnten sie nach Herzenslust netzwerken, sich in Interview-Situationen ausprobieren, erhielten Individual-Coachings und absolvierten ein Live-Recording ihres ausgesuchten Songs. Der Höhepunkt für alle Beteiligten: Die Teilnehmer:innen konnten sich während drei abendlicher Live-Sessions näher kennenlernen und ihr außergewöhnliches Potential der Öffentlichkeit präsentieren.

„Wir sind jung und brauchten das Geld“, begründen sie lachend ihre Teilnahme. Doch dann werden sie ernster. „Weil wir Bock hatten auf das Gesamtsetting: Mit anderen Bands connecten, unsere Musik einer professionellen Jury präsentieren und Feedback und Support für den weiteren Weg zu bekommen. Und weil wir Bock hatten, in einem Schloss aufzuwachen. Dass sah dann so aus, dass wir morgens um halb sieben von feinstem Punk in Clublautstärke direkt nebenan aus der Küche aus dem Schlaf gerissen wurden. So hatten wir uns das nicht vorgestellt mit dem Prinzessinnenleben!“ Die Drei sind sichtlich froh, dabei gewesen zu sein. „Alles in allem total super“, fassen sie ihre bisherige local heroes-„Reise“ zusammen. Vor allem auf Schloss Hundisburg hätten sie sehr viel schönes Miteinander und Support erlebt. Das Feedback durch die Jury zu ihrer generellen Bandsituation sei absolut hilfreich gewesen, der Videodreh sehr angenehm und aufregend, mit einem „supercoolen“ und professionellen Team. „Wir haben ein schönes Konzert in einer beeindruckenden Location gespielt und konnten andere tolle Konzerte sehen! Außerdem nehmen wir mit: Sehr, sehr hilfreiche Beratung durch die dreiköpfige Jury, gutes Coaching über Verlagswesen und Gema, tolle Fotos, lustige Interviews, toller englischer Garten.“

„Laturb“ – „Das ist Techno-Amüsement!“

Durch die Impulse von Jury und Coaches würden sie nun ihre Show weiter ausbauen und darüber nachdenken, wo sie als Band stehen und in Zukunft hinwollten. „Wir profitieren sicherlich auch durch neu gewonnene Fans und vergrößerte Reichweite.“ Und was sagt die Jury selbst? „Techno, sphärische Klänge, Gesang, Improvisation: Es war stark, es war wild, es war frei und unkonventionell!“, versucht Senta-Sofia Delliponti die bunte Truppe in wenigen Worten zu beschreiben. Auch Pablo Christlein ist begeistert: „Ein geiles Avantgarde-Projekt! Das ist genau die richtige Musik zum Trancen, Dancen und Brain loswerden. Sie haben mich sehr amüsiert. Sie machen genau das, was es sein soll. Das passt so für mich. Das ist Techno-Amüsement!“ Angela Peltner holt noch etwas weiter aus: „Ich fand es wahnsinnig politisch, was mir heutzutage immer fehlt. Denn Musik darf politisch sein! Ich fand, sie haben das spielerisch und gut umgesetzt, wenig mit dem Zeigefinger, sondern auf eine gute Art – sehr humoristisch. Eine grandiose Sängerin! Super viel Entertainment – das habe ich total gefeiert. Und dabei hat es wirklich gut geklungen. Das Ganze hat mich an das Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre erinnert. Es war so rough. So etwas gibt es selten. Es war ein wirklich schöner Retro-Vibe.“

'We are the undertow….but this is just a fucking entertainment show!' ist das Credo der Liveshow von Laturb. | Foto: Line Tsoj


Doch es steckt deutlich mehr dahinter, wie „Laturb“ erklären. „Die grundlegende Message ist: Fuck Capitalism! Oder auch: 'We are the undertow….but this is just a fucking entertainment show!' Wir schreiben über Abhängigkeiten, Zwang zum Geldverdienen und zur Lohnarbeit, Leistungsansprüche, Widersprüche, Konkurrenz, Angst vor persönlichen Verlusten, Heteronormativität, über Selbstermächtigung, Ausbrechen und Bock auf das schöne Leben auf dem Ponyhof… Und darüber, wie wir zwischen all dem unseren Alltag, unsere Ansprüche und unser Leben jonglieren.“ Und warum schreiben sie darüber? „Weil wir alle in diesem Wahnsinn sitzen und weil’s mit emotionalen Achterbahnfahrten durch dunkelbunte Glitzerwelten vielleicht ein klein bisschen aushaltbarer wird. Humor ist auf jeden Fall eine Strategie, sich dem ganzen Shit für einen kurzen Moment zu widersetzen.“

Natürlich nehmen sie ihr Projekt – bei allem Humor – ausgesprochen ernst. Auch sie müssen sich musikalischen, menschlichen und organisatorischen Herausforderungen stellen. Das reicht von den „Millionen Möglichkeiten und Tiefen der elektronischen Musik“, über „entspannt bleiben und gut zu uns und den anderen sein“, wenn es denn mal stressig wird, bis hin zur wohl größten Herausforderung, nämlich die Übersicht über die unendlich vielen Aufgaben zu behalten, Prioritäten zu setzen und dabei das Musikmachen nicht zu vernachlässigen. „Laturb“ hat dafür sogar ein eigenes Mantra: „Kontrolle abgeben!“

Bremen: klein, fein und bunt

In ihrer Heimatstadt Bremen haben sie dafür „ein paar schöne, lebenswerte Nischen und vor allem eine breite (subkulturelle) Musik- und Performanceszene“ gefunden. Die Musikszene reiche von etlichen kleineren, selbstorganisierten, linken Orten bis hin zu größeren Festivals wie dem 13 Grad Festival, der Breminale, dem Überseefestival oder dem La Strada-Circusfestival. Seit Kurzem gebe es außerdem das Popbüro Bremen, welches sich sehr um Diversität in der lokalen Musikszene bemühe sowie Förderprogramme und Beratungen anbiete. Doch es gibt Luft nach oben, sind sie überzeugt – gerade, wenn es um finanzielle Unterstützung von Künstler:innen und den Support von Newcomer:innen gehe.


Um hier voranzukommen, haben sie sich mit local heroes genau das richtige Netzwerk ausgesucht, findet David Pfeffer, der in diesem Jahr erneut gemeinsam mit Felix Mannherz das Coaching der Bundesfinalist:innen übernommen hat. „local heroes gelingt es durch konzeptionelle Veränderungen gut, den Transfer von einem Wettbewerb, in dem es mehr um rockige sehr junge Live-Bands ging, hin zu einem sehr diversen Feld an musikalischen und geschlechtlich vielseitigen Acts zu bewerkstelligen. Das bringt local heroes nochmal auf ein ganz anderes Level.“ Auch die Qualität der teilnehmenden Künstler:innen wachse stetig. Häufig hätten sich diese schon mit der Business-Seite der Musik auseinandergesetzt und für sich auch schon in Sachen Image etwas erarbeitet.

„Hier sind die Sozialen Medien mit Sicherheit ein guter ‚Heilsbringer‘, um sich selbst Informationen zu beschaffen. Früher war das für Bands deutlich schwieriger. Viele haben das bereits getan, aber natürlich nicht in der Gänze, in der man das bräuchte. Deshalb ist so etwas wie local heroes geil, weil es ein Netzwerk ist, in dem sie sich nicht nur mit uns verbinden, sondern auch mit anderen Kunstschaffenden und kreativen Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen. Das ist der Grund, warum man hier unglaublich viel mitnehmen und das Ganze noch schärfen und professionalisieren kann.“

Laturb freuen sich auf die Ausstrahlung des Bundesfinals am 09.12. in Bremen. | Foto: Line Tsoj


Und genau das haben „Laturb“ vor. Für den Herbst ist eine Tour geplant. Ihre Live-Aktivitäten werden sie im März 2024 schon zum wiederholten Mal bis nach Spanien führen. Natürlich gehört auch Songwriting dazu. Im kommenden Jahr soll bereits ihr zweites Album veröffentlicht werden. Nun steht aber erst einmal ein weiterer Höhepunkt für „Laturb“ und alle übrigen Musiker:innen an.

Denn: Welcher Act den inzwischen wichtigsten Musikpreis der deutschen Non-Profit-Musikszene beim local heroes Bundesfinale erhält, wird im Rahmen der Ausstrahlung am 9. Dezember, ab 20 Uhr, bekanntgegeben. Hierzu laden „Laturb“ zu ihrer eigenen Veranstaltung ins Gondi in Bremen ein. Alle Infos zur Bundesfinale-Ausstrahlung findest du hier.
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Text: Nicole Oppelt & Lina Burghausen
Fotos: Line Tsoj